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Veranstaltung zu 90 Jahren „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“

Begrüßungsrede des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann MdB, bei der Veranstaltung zu 90 Jahren „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 2. Mai 2023 im Gustav-Heinemann-Saal des BMJ

Anfang 02. Mai 2023

Begrüßungsrede des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann MdB, bei der Veranstaltung zu 90 Jahren „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 2. Mai 2023 im Gustav-Heinemann-Saal des BMJ

Ich begrüße Sie zu dieser Veranstaltung!
Wir erinnern heute an das nationalsozialistische „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, das im Frühjahr vor 90 Jahren in Kraft trat.

Wir erinnern damit an eine infame Lüge und an bedrückendes Unrecht.

Wir erinnern an Unrecht hinter einer Maske von Gesetzlichkeit.
Und wir erinnern an einen lügnerischen und widerwärtigen Missbrauch der Sprache. Auch der war ein Kennzeichen dieses Regimes.

Denn gar nichts wurde „wiederhergestellt“ mit diesem Gesetz.
Sondern mit diesem Gesetz wurde in großem Ausmaß zerstört.
Zerstört wurden Recht, Gesetzlichkeit und Rechtsstaat; zerstört wurden Existenzen und Lebensentwürfe.
Jüdische Deutsche, Deutsche jüdischer Herkunft und politische Gegner wurden systematisch aus dem öffentlichen Dienst ausgeschlossen.

Das zeitgleiche „Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“ hatte die entsprechenden Folgen für die Anwältinnen und Anwälte. Die Wanderausstellung der Bundesrechtsanwaltskammer „Anwalt ohne Recht“ hier im Foyer gibt dazu einen bedrückenden Einblick.

In meiner Heimat Gelsenkirchen ist es Emil Kochmann aus Buer, an den ich hier denke. Dem jüdischen Deutschen, Anwalt und Notar, entzogen die Nazis 1933 die Existenzgrundlage und ermordeten ihn später in Auschwitz-Birkenau. Mit einer Gedenktafel am Gelsenkirchener Wohnhaus seiner Familie erinnern wir an sein Schicksal.

Wir werden aus berufenem Munde gleich in die historischen Hintergründe und Zusammenhänge eingeführt.
Nur so viel:
Es waren die ersten Monate der von den Nationalsozialisten selbst so genannten „Gleichschaltung“.
Und die deutschen Juristen, die deutsche Justiz ließ sich willig gleichschalten.

An dem Tag, an dem das Gesetz in Kraft trat, am 7. April 1933, empfing Hitler die Repräsentanten der deutschen Richterschaft.
Sie erklärten ihm, die deutschen Richter würden geschlossen und mit allen Kräften an der Erreichung der Ziele mitarbeiten, die sich die Regierung gesetzt habe.

Monate später, im Oktober 1933, schworen in Leipzig vor dem Reichsgericht mehr als 10.000 Juristen mit erhobenem rechten Arm, Hitler auf seinem Weg bis an das Ende ihrer Tage folgen zu wollen.

Deutsche Juristen haben zwischen 1933 und 1945 dem Unrecht den Anschein des Rechts gegeben – und schlimmstes Unrecht in dieser legalen Verkleidung durchgesetzt.

Wir haben in Deutschland aus dieser Geschichte – hoffentlich bleibend – gelernt.

Schon das Grundgesetz ist ein Dokument dieses Lernens – etwa indem es Grund- und Freiheitsrechte der Verfügung wechselnder Mehrheiten entzog und Sicherungen schuf gegen eine erneute Umwertung aller Werte.

Auch seither, wenn auch immer wieder beschämend spät, haben wir Geschichte aufgearbeitet und aus ihr gelernt.

Angestoßen durch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, in ihrer zweiten Amtszeit als Bundesjustizministerin, ist etwa die Nachkriegsgeschichte des Bundesjustizministeriums in der Rosenburg in Bonn erforscht worden – in einer Kommission, deren damalige Leiter heute auch hier sind: die Professoren Christoph Safferling und Manfred Görtemaker.

Ich habe die Wanderausstellung zu den Ergebnissen der Kommission zuletzt in Israel, an der Universität in Tel Aviv, eröffnen dürfen. Das war ein besonderer, bewegender Moment.

Bestürzend viele Beamte waren damals in der Rosenburg tätig, die im Dritten Reich Schuld auf sich geladen hatten.
1957 waren 80 Prozent aller Leitungspositionen des Ministeriums mit ehemaligen NSDAP-, SA- oder Mitgliedern des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbunds besetzt.

Unserer Geschichte gestellt haben wir Deutschen uns auch Dank des Mutes und der Hartnäckigkeit eines Mannes wie Fritz Bauer. Sie sind gerade an dessen Büste vorbei hier in diesen Saal gekommen. Das Foyer, in dem sie steht, trägt seinen Namen.

Ein Zeichen des Lernens aus der Geschichte war zuletzt die Neufassung des Paragrafen 5a des Deutschen Richtergesetzes. Dort heißt es nun zur juristischen Ausbildung seit letztem Jahr klar und deutlich:
„… die Vermittlung der Pflichtfächer erfolgt auch in Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht und dem Unrecht der SED-Diktatur.“

Ich will in dieser kurzen Begrüßung zuletzt an zwei Männer erinnern, die mit diesem Haus später verbunden waren und die damals Opfer des Gesetzes wurden, mit dem wir uns in diesen Stunden hier beschäftigen.

Dietrich Lang-Hinrichsen, Katholik mit jüdischen Wurzeln, war als rechtswissenschaftlicher Assistent an der Uni Breslau tätig. Er wurde zum 1. November 1933 in den Ruhestand versetzt. Lang-Hinrichsen ging erst ins brasilianische Exil und war später, 1953, einer der wenigen Remigranten jüdischer Herkunft, die an das BMJ abgeordnet wurden. 1954 wurde er Richter am Bundesgerichtshof, 1964 Ordinarius für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Johannes-Guttenberg-Universität in Mainz.

Und Walter Strauß, jüdischer Herkunft, damals Gerichtsassessor am Kammergericht in Berlin, wurde zum 1. März 1935 ohne Versorgungsbezüge in den Ruhestand versetzt.
Der Bescheid war unterzeichnet von Roland Freisler, damals Staatssekretär im Reichsjustizministerium.

Die Eltern von Walter Strauß wurden 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Er selbst kam nur knapp mit dem Leben davon.

Walter Strauß wurde dann der erste Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz. Er war verantwortlich für die erwähnten Einstellungen von NS-Beamten. Er hat einmal gesagt, seine Beamten hätten einen „Schatz an Erfahrungen“ aus den NS-Reichsministerien in die Arbeit des BMJ herübergetragen.

Hierin steckt, wir fühlen es sofort, eine große Tragik – die Tragik eines deutschen Bürgers aus jüdischer Familie, der in seiner Heimat weiterleben wollte und der zugleich wusste, dass er das inmitten von Tätern tun musste.

Hierin steckt aber auch die fragwürdige Vorstellung vom Juristen als einem bloßen Rechtstechniker, einem Ingenieur, der sich in der unpolitischen Welt des rein Funktionalen bewegt, die sich trennen lasse von den Zwecken seines Tuns – egal wie unmenschlich sie sind.
Diese Vorstellung haben wir, glaube ich, gründlich hinter uns gelassen.
Auch das war ein Lernen aus der Geschichte.

Ich wünsche Ihnen jetzt erhellende Vorträge und eine intensive Diskussion. Und ich danke noch einmal den einladenden Veranstaltern heute, der Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung, der Bundesrechtsanwaltskammer, dem Deutschen Anwaltverein, dem Deutschen Richterbund und den verantwortlichen Mitarbeitern dieses Hauses!

‒ Es gilt das gesprochene Wort! ‒

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