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Erste Lesung des Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetzes im Deutschen Bundestag

Rede von Dr. Marco Buschmann MdB, Bundesminister der Justiz, zur Ersten Lesung des Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetzes am 27. April 2023 im Deutschen Bundestag

Anfang 28. April 2023
Redner Dr. Marco Buschmann

Rede von Dr. Marco Buschmann MdB, Bundesminister der Justiz, zur Ersten Lesung des Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetzes am 27. April 2023 im Deutschen Bundestag

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen! Liebe Zuschauer! Erst mal meinen großen Respekt vor der hohen Tagungsdynamik. Das Parlament zeigt, wie dynamisch und temporeich es ist. Und die Regierung muss sich anstrengen, bei diesem Tempo hinterherzukommen. Insofern bitte ich, meine leicht verspätete Anwesenheit zu entschuldigen.

Ein starker Rechtsstaat braucht eine funktionierende Justiz. Dafür tun wir als Bund eine ganze Menge. Auf dem Bund-Länder-Digitalisierungsgipfel haben wir uns auf eine Digitalisierungsinitiative für die Justiz geeinigt. Dafür stellt der Bund 200 Millionen Euro zur Verfügung. Wir werden damit beispielsweise Digitalisierungsprojekte im Bereich der künstlichen Intelligenz voranbringen. Das wird echte Arbeitserleichterungen bringen.

Wir bereiten auch die Einrichtung von sogenannten Commercial Courts vor. Für den entsprechenden Gesetzentwurf haben wir gerade die Verbände- und Ressortbeteiligung gestartet. Danach sollen Wirtschaftsgroßverfahren künftig von hochspezialisierten Spruchkörpern bei den Oberlandesgerichten in erster Instanz entschieden werden können. Das wird den Justizstandort Deutschland stärken, zugleich die Qualität und Effizienz dieser Verfahren steigern.
In diese Richtung zielt auch der Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Verbandsklagenrichtlinie, den wir hier beraten. Wir sorgen dafür, dass Verbraucherinnen und Verbraucher einfacher zu ihrem Recht kommen, und wir machen die Justiz effizienter. Dazu stehe ich, auch nach dem vorhin Gehörten, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Kernstück des Entwurfs ist die Einführung einer neuartigen Klageform für Verbandsklagen. Wir nennen sie Abhilfeklage. Mit einer Abhilfeklage kann ein Verbraucherverband gleichartige Ansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegen Unternehmen geltend machen. Beispiele dafür wären etwa, wenn ein Autobauer ein fehlerhaftes Bauteil einbaut oder eine Bank zu Unrecht Gebühren erhebt oder - wir haben es vorhin schon gehört - wenn eine Versicherung bestimmte Ansprüche nicht erfüllen möchte. Dabei müssen die Ansprüche von mindestens 50 Verbrauchern betroffen sein. Von der Klage profitieren dann alle betroffenen Verbraucher, die ihre Ansprüche zu Beginn des Verfahrens in einem Register angemeldet haben.

Diese Neuregelungen haben eine ganze Menge praktischer Vorteile. Wenn etwa Betroffene des sogenannten Dieselskandals ihr Recht heute vor Gericht geltend machen, müssen sie entweder selbst klagen - das können sie natürlich auch weiterhin tun -, oder sie melden sich für eine Musterfeststellungsklage an, falls ein Verbraucherverband eine solche erhebt. Hat dann der klagende Verband damit Erfolg, sind wesentliche Voraussetzungen für den Anspruch festgestellt. Wenn sich das Unternehmen dann trotzdem weigert, diese Ansprüche zu befriedigen, muss noch mal geklagt werden. Und dann muss der Verbraucher trotz des Zwischenerfolgs noch mal selber ein zusätzliches Verfahren anstrengen, um an seinen Schadensersatz zu kommen. Das ist eine Belastung für die Justiz, weil dieselben Konflikte mehrfach vor Gericht ausgetragen werden müssen.

Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher künftig zu ihrem Recht kommen wollen, können sie das wesentlich einfacher haben, weil die Verbraucherverbände nämlich in der Abhilfeklage direkt auf Erfüllung der Ansprüche klagen können.

Das Gericht stellt dann eine Gesamtsumme fest, und die Verteilung dieser Gesamtsumme an die einzelnen Verbraucherinnen und Verbraucher besorgt dann ein gerichtlich bestellter Sachwalter. Sie müssen also nicht noch mal klagen. Dieser Entwurf hilft also nicht nur Verbraucherinnen und Verbrauchern, sondern er entlastet auch die Justiz. Und in Wahrheit hilft er auch Unternehmen - das möchte ich nach dem zuvor Gesagten noch mal klarstellen -, nämlich aus zwei Gründen:

Zum einen können auch kleine Unternehmen genau wie Verbraucherinnen und Verbraucher dieses Instrument in Anspruch nehmen. Und - Stichwort „Dieselklage“ - es gibt jede Menge kleiner Unternehmen, kleiner Handwerksbetriebe, die sich so ein Dieselfahrzeug angeschafft haben und keine Rechtsabteilung haben und die auch nicht viel Geld und Marge haben, um große Kanzleien zu bezahlen. Auch die profitieren davon.

Zum anderen sorgt der Entwurf auch für Rechtssicherheit bei den Unternehmen; denn die Unternehmen wissen rechtzeitig, um wie viele Ansprüche es sich handelt. Deshalb haben wir den Zeitraum auch sehr streng gehandhabt, bis zu dem man sich anmelden kann, weil eben die Unternehmen früh wissen sollen, mit wie vielen Anspruchsgegnern sie es zu tun haben. Das ist nicht zuletzt auch für die Bemühungen um einen Vergleich sinnvoll; denn wenn man nicht weiß, mit wem man es auf der anderen Seite zu tun hat, dann fallen einem natürlich auch Vergleichsverhandlungen schwer.

Deshalb möchte ich am Schluss noch einen Punkt nennen, der ja vorhin schon etwas herausgestellt worden ist. Wir sorgen mit unserem Gesetzentwurf dafür, dass Interessenkonflikte vermieden werden. Ein Verband ist nur dann klagefähig, wenn er nicht von einem Unternehmen finanziert wird. Sonst besteht nämlich die Gefahr, dass ein Unternehmen den Verband finanziert und motiviert, gewissermaßen gegen eigene Konkurrenten vorzugehen. Jetzt möchte ich mal sehr abstrakt umschreiben, was das bedeutet: Stellen wir uns einen deutschen Verband vor, der beispielsweise von einem japanischen Autohersteller finanziert und gesponsert wird. Ein solcher Verband, bei dem das vor einigen Jahren der Fall war, ist vorhin genannt worden. Das würde dann natürlich dazu führen, dass ein solcher Verband eine Abhilfeklage, zum Beispiel gegen einen deutschen Autohersteller, gerade nicht mehr führen kann. Das wäre ein Interessenkonflikt, und genau das schließt das Gesetz aus, meine Damen und Herren.

Deshalb bleibe ich bei dem, was Herr Plum schon vorweggenommen hat, dass ich es hier sagen werde. Ich sage es jetzt hier auch: Dieser Entwurf hilft Verbraucherinnen und Verbrauchern, ihre Ansprüche effektiv geltend zu machen. Er ist gut für Unternehmen, weil er Rechtssicherheit herstellt, und er entlastet auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Justiz. Ich freue mich auf gute Beratungen.

Herzlichen Dank.

‒ Es gilt das gesprochene Wort! ‒

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