Rede des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann, MdB, beim Amtswechsel am Bundesverwaltungsgericht am 17. Februar 2023 in Leipzig
Anfang17. Februar 2023 RednerDr. Marco Buschmann
Rede des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann, MdB, beim Amtswechsel am Bundesverwaltungsgericht am 17. Februar 2023 in Leipzig
Sehr geehrter Herr Professor Korbmacher,
sehr geehrte Frau Dr. Rublack,
sehr geehrter Herr Professor Rennert,
sehr geehrter Herr Professor Harbarth,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmer,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung,
sehr geehrte Frau Dr. Harms,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich freue mich sehr, hier zu sein, in einem der schönsten Gerichtsgebäude unseres Landes. Was für ein wunderbarer Ort, um etwas zu feiern, aber auch, um seiner wichtigen Arbeit nachzugehen.
Ein berühmtes Gedicht Goethes trägt den Titel: Dauer im Wechsel. Mir scheint, dass man Festakte wie den heutigen auch hervorragend unter diesem Titel fassen könnte: Dauer im Wechsel.
Denn wir feiern mit diesem Wechsel ja auch die Dauer, nämlich die Dauer und Existenz des Bundeverwaltungsgerichts. Und die Bedingung von dessen Dauer ist eben der Wechsel. Wäre die Existenz dieser Institution an einzelne Richterinnen und Richter, Präsidentinnen und Präsidenten gebunden, dann wäre da nicht viel Dauer.
Das scheint mir überhaupt das demokratische Prinzip von Stabilität zu sein. Nur der Wechsel von Mehrheit und Minderheit, der Wechsel in den Aufgaben von Opposition und regierungstragenden Kräften verleiht ja auch der Demokratie selbst die Dauer, auf die wir es anlegen.
Sie sehen, so kommt bei diesem Amtswechsel eine ganze Menge zusammen, das man alles feiern kann:
Das Bundesverwaltungsgericht, unsere Demokratie und natürlich Ihre Amtsantritte, liebe Frau Dr. Rublack und lieber Herr Professor Korbmacher.
Und, Herr Professor Rennert, Sie werden mir hoffentlich erlauben, dass ich an dieser Stelle Ihnen meinen herzlichsten Dank ausspreche für Ihre Zeit als Präsident des Bundesverwaltungsgerichts.
Sie haben sich um dieses Gericht verdient gemacht, und ich freue mich sehr, dass Sie heute gekommen sind.
Sie haben ein außerordentlich gut bestelltes Haus hinterlassen und hatten einen überaus fähigen Vizepräsidenten, so dass an der Funktionsfähigkeit des Gerichts im Übergang niemals Zweifel aufkamen.
Dieser Vizepräsident waren natürlich Sie, lieber Herr Korbmacher, wie hier wahrscheinlich jeder im Saal weiß.
Seit über 14 Jahren sind Sie als Richter am Bundesverwaltungsgericht tätig.
Sie sind gebürtiger Freiburger, haben in den achtziger Jahren Ihre juristische Ausbildung in Berlin absolviert und haben auch dort Ihre richterliche Laufbahn begonnen, am Landgericht Berlin. Am 1. Januar 1990 traten Sie dann in die Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes Berlin ein; zunächst am Verwaltungsgericht, wechselten Sie 2003 an das Oberverwaltungsgericht. 2005 wurden Sie zum Vorsitzenden Richter ernannt.
Etwas mehr als drei Jahre später kamen Sie dann hier nach Leipzig, wo Sie zunächst dem 9. Revisionssenat angehörten, der unter anderem für planungsrechtliche Verfahren zuständig ist. 2017 übernahmen Sie den Vorsitz des 7. Revisionssenats, zu dessen Zuständigkeit insbesondere das Umweltschutzrecht einschließlich des Immissionsschutzrechts gehört.
Im Oktober vorletzten Jahres übernahmen Sie zusätzlich den Vorsitz des für das Informationsfreiheitsrecht zuständigen Senats. Ein Rechtsgebiet, dessen Entwicklung die gesamte Bundesregierung stets mit großem Interesse verfolgt. Das kann ich Ihnen persönlich versichern.
Zum Vizepräsidenten wurden Sie im Mai 2019 ernannt. Zu Ihren richterlichen Aufgaben kam von 2016 bis 2019 die Arbeit als Pressesprecher hinzu, was sicherlich eine nützliche Erfahrung ist für das Amt des Präsidenten.
Einer breiteren Öffentlichkeit wurden Sie dann aber wahrscheinlich doch eher in Ihrer richterlichen Tätigkeit bekannt: als der Richter, der über das sogenannte Dieselfahrverbot entschied, wie es oft mit einer Formulierung hieß, die die Komplexität der Urteilsfindung doch etwas reduziert.
Lieber Herr Korbmacher, auch an Ihrem Lebenslauf erkennt man eine Dauer im Wechsel: die Dauer in Form der Verwaltungsgerichtsbarkeit und den Wechsel in Form der verschiedenen Stationen, die sie durchlaufen haben.
Sie haben in einer Rede auf Herrn Professor Rennert den Historiker Jacob Burckhardt zitiert: „Was man weiß, sieht man erst.“
Ich glaube, dass sie sowohl wissen als auch sehen, welche Aufgaben auf Sie und das Gericht zukommen und mit welch hervorragenden Kolleginnen und Kollegen Sie weiterhin zusammenarbeiten werden.
Ich wünsche Ihnen für Ihre Amtszeit alles Gute. Das Bundesverwaltungsgericht, davon bin ich überzeugt, ist bei Ihnen in den besten Händen!
Verehrte Frau Dr. Rublack,
ich bin auch überzeugt, dass das Bundesverwaltungsgericht eine hervorragende Vizepräsidentin erhält.
Das liegt selbstverständlich nicht nur an Ihrer Herkunft: als Konstanzerin kommen Sie ja wie Herr Korbmacher aus Baden, wo übrigens auch Herr Rennert studiert hat. Vielleicht ist die lange freisinnige Tradition dieser Gegend der Grund, dass sie immer wieder herausragende Juristinnen und Juristen hervorbringt.
Ihre bemerkenswerte juristische Laufbahn, liebe Frau Dr. Rublack, begann nach dem Studium in Hamburg als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin.
Sie gingen dann nach Schleswig-Holstein zum Landesbeauftragten für den Datenschutz. Nach sieben Jahren praktischer Verwaltungserfahrung traten sie 2002 zunächst in Form einer Abordnung in die Verwaltungsgerichtsbarkeit ein und wurden 2004 zur Richterin am Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein ernannt.
Nach einer Station am Bundesverfassungsgericht als wissenschaftliche Mitarbeiterin wurden Sie ans Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein abgeordnet und dort 2010 zur Richterin ernannt.
Mit der Ernennung zur Bundesrichterin im Februar 2015 begann dann Ihre Karriere am Bundesverwaltungsgericht.
Ganz im Sinne des Anspruchs, Generalist zu sein, den dieses Gericht an seine Richterinnen und Richter stellt, wurden Sie seitdem in verschiedenen Senaten eingesetzt: im 7., 8. und 10., wobei Sie seit 2019 durchgängig dem 8. Revisionssenat zugewiesen waren. Er ist unter anderem für das Recht zur Bereinigung von SED-Unrecht und das Wirtschaftsverwaltungsrecht zuständig.
Von 2015 bis 2020 waren Sie zudem als auslandsbeauftragte Richterin zuständig für die Koordination der internationalen Kontakte – eine wichtige Funktion in einem Gericht, das viele Kontakte in andere Staaten pflegt, auch zu Partnern, bei denen der Rechtsstaat besonderen Bewährungsproben ausgesetzt ist.
Das diplomatische Geschick, das dabei erforderlich war, werden Sie als Vizepräsidentin hoffentlich nicht benötigen, aber schaden kann es sicher nicht.
Auch Ihnen wünsche ich eine glückliche Hand und eine erfolgreiche Amtszeit!
Meine Damen und Herren,
„Bundesverwaltungsgericht“, das mag in den Ohren einiger ein wenig trocken klingen, vielleicht nach staubigen Amtsstuben und trockenen Themen, die eigentlich nur Fachleute interessieren können. Wir wissen, nichts könnte der Wahrheit ferner sein.
Die letzten Entscheidungen sind geradezu beispielhaft für die Lebensnähe der Fälle, die hier verhandelt werden: Sei es die Unverhältnismäßigkeit der Corona-Ausgangsperre in Bayern, der Versammlungsschutz von Protestcamps oder die Feststellung, dass auch eine Pause zur Arbeitszeit zählen kann.
Mit der Errichtung eines Planungssenats wird das Bundesverwaltungsgericht seinen Beitrag zur Planungsbeschleunigung leisten, die wir so dringend brauchen. Spätestens seit dem 24. Februar 2022 ist uns allen klar, dass die schnellere Umsetzung der Energiewende nicht nur ökologisch nötig, sondern auch sicherheitspolitisch geboten ist.
Zugleich hat die Aufgabe der generellen Modernisierung unseres Landes zweifelsohne an Bedeutung gewonnen.
Wenn wir in Deutschland Wohlstand, Sicherheit und Freiheit bewahren wollen, müssen wir für Veränderungen offen sein. Auch hier gilt: Wer Dauer möchte, muss zum Wechsel fähig sein.
Sollte sich in den Räumen des Bundesverwaltungsgerichts überhaupt Staub befinden, wird er sich sehr bald vor allem auf Flat Screens legen. Die gesetzliche Verpflichtung, ab dem 1. Januar 2026 Gerichtsakten ausschließlich elektronisch zu führen, wird das Gericht höchstwahrscheinlich vorfristig erfüllen:
Die Einführung bereits zum 1. Januar 2024 wird hier mit großem Engagement verfolgt, und es gibt aktuell keinen Grund, daran zu zweifeln, dass dies erreicht werden wird.
Seit Dezember 2022 sind bereits der 3. und 6. Senat an die eAkte angebunden, ab März 2023 werden weitere Senate folgen. Die Verwaltungsakten werden bereits seit 2012 ausschließlich elektronisch geführt.
Von Beschwerden über die Einführung der eAkte ist nichts bekannt, und das zeigt, dass hier eine kluge Projektführung am Werk war.
Am Bundesverwaltungsgericht hat man verstanden, dass Digitalisierung nicht bedeutet, sich eine graue Kiste ins Büro zu stellen, und damit die Sache für erledigt zu erklären.
Nein, Digitalisierung bedeutet zunächst, alle Anwenderinnen und Anwender darauf vorzubereiten und sie einzubeziehen in diesen großen Transformationsprozess.
Hier gelingt das beispielhaft. Das mag auch daran liegen, dass Ihnen digitale Werkzeuge schon lange vertraut sind, weil Sie sie sogar mitunter selbst entwickeln.
Das Justizfachsystem GO§A wird seit Jahren federführend und im Wesentlichen allein durch das Bundesverwaltungsgericht entwickelt und eingesetzt in verschiedenen Bundesgerichten und in der Verwaltungsgerichtsbarkeit mehrerer Bundesländer.
Bei dieser Digitalkompetenz ist es auch nur folgerichtig, dass dieses Haus verantwortlich zeichnet für die Errichtung eines „Länderservers“ zur Online-Akteneinsicht, der allen Bundesgerichten sowie dem Generalbundesanwalt zur Verfügung gestellt wird.
Das Bundesverwaltungsgericht wird in diesem Jahr seinen siebzigsten Geburtstag begehen. Es hat in diesen sieben Jahrzehnten immer wieder seine große Bedeutung unter Beweis gestellt. In einem freiheitlichen Rechtsstaat ist es unabdingbar, dass die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns stets überprüft werden kann.
Trotz dieser Jahrzehnte darf man Errungenschaften des Rechts nie für selbstverständlich halten.
Russland bricht das Völkerrecht und tritt das Völkerstrafrecht mit Füßen. Einzelne EU-Staaten interpretieren das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit mitunter auf mindestens irritierende Art und Weise. Auch außerhalb unseres Kontinents stehen viele Errungenschaften der Rechtsstaatlichkeit auf dem Spiel.
Hier geht es nicht, das muss man immer wieder betonen, um Förmelei.
Recht, Freiheit und Demokratie bilden eine Schicksalsgemeinschaft. Wer einen Teil dieser Trias herausbricht, gefährdet die beiden anderen. Was soll die Wahl in einer Demokratie, wenn sie nicht frei ist und in einem Umfeld freier Diskussion erfolgen kann? Wo wüsste man das besser als hier in Leipzig, wo manipulierte Wahlen der Anlass für die friedliche Revolution im Osten unseres Landes bildeten? Was nützt mir die Idee der Freiheit, wenn sie nicht auch konkret rechtlich geschützt ist? Und woher soll das Recht seine Akzeptanz und Legitimation beziehen, wenn nicht aus dem demokratischen Prinzip?
Das Bundesverwaltungsgericht hier in Leipzig ist deshalb einer der wichtigen Orte unseres Landes, wo die Trias aus Recht, Freiheit und Demokratie zusammengehalten wird.
Und deshalb freue ich mich sehr, dass bei allem Wechsel der Zeitläufte das Bundesverwaltungsgericht auf Dauer angelegt ist!
Vielen Dank!
‒ Es gilt das gesprochene Wort! ‒
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