Festakt zur Übernahme der Präsidentschaft des CNUE (Conseil des Notariats de l'Union Européenne) bei der Bundesnotarkammer in Berlin
Festakt zur Übernahme der Präsidentschaft des CNUE (Conseil des Notariats de l'Union Européenne) bei der Bundesnotarkammer in Berlin
Rede des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann MdB, beim Festakt zur Übernahme der Präsidentschaft des CNUE (Conseil des Notariats de l'Union Européenne) am 20. Januar 2023 bei der Bundesnotarkammer in Berlin
Anfang20. Januar 2023 RednerDr. Marco Buschmann
Rede des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann MdB, beim Festakt zur Übernahme der Präsidentschaft des CNUE (Conseil des Notariats de l'Union Européenne) am 20. Januar 2023 bei der Bundesnotarkammer in Berlin
Ich freue mich sehr, heute hier zu sein und diese Übergabe und Übernahme der Präsidentschaft des CNUE mit Ihnen zu begehen!
Dieser Festakt versammelt Notarinnen und Notare aus allen Ländern der Europäischen Union. Sie alle eint die Institution des Notariats – eine ehrwürdige Institution, also: aller Ehren würdig!
Das Notariat ist ein Eckpfeiler unserer europäischen Rechtsordnungen. Es dient dem Schutz der Freiheit. Freiheit und Notariat – das mag auf den ersten Blick nicht recht zusammenpassen. Mit Freiheit als Ungebundenheit, als Möglichkeit zur Erschließung neuer Welten scheinen Notare nicht viel zu tun zu haben. Notarinnen und Notare sind die Hüter der Form. Und so wird auch in Brüssel ja immer wieder gefordert, die Regulierung des Notariats abzuschaffen und es wie einen Dienstleistungsberuf zu behandeln. Denn, so hört man dann: Das Notariat behindere die Marktfreiheit.
Dem will ich hier ausdrücklich und entschieden widersprechen. Denn diese Ansicht verkennt die enge Verbindung zwischen Freiheit und Form, und also zwischen Freiheit und den Hütern dieser Form: Ihnen!
Der große deutsche Rechtswissenschaftler Rudolph von Jhering hat diesen Zusammenhang im 19. Jahrhundert einmal sehr treffend formuliert: „Die Form ist die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit.“ Die Form wirkt der Willkür entgegen, denn sie schafft Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. Und hierin liegt die vornehmste Aufgabe des Notariats: durch die Wahrung der Form im Rahmen der vorsorgenden Rechtspflege der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden zu dienen – und damit der Freiheit.
Die vorsorgende Rechtspflege ergänzt und vervollständigt die nachsorgende streitige Rechtspflege. Die vorsorgende Rechtspflege hilft den Bürgerinnen und Bürgern bei der Gestaltung besonders bedeutender Rechtsbeziehungen. Rechtssicherheit bedeutet in diesem Zusammenhang vor allem, dass der zum Ausdruck gebrachte Willen der Bürger optimal fixiert und rechtssicher dokumentiert und verwahrt wird. So trägt die notarielle Tätigkeit wesentlich zur Streitvermeidung bei und entlastet die Gerichte.
Das hat ja übrigens auch handfeste ökonomische Vorteile. Wenn ein Sachverhalt erst im Wege der streitigen Rechtspflege aufgeklärt werden muss, ist das aufwendiger und mit höheren Kosten verbunden.
Zugleich verschafft die notarielle Tätigkeit den Bürgerinnen und Bürgern eine erhöhte Beweiskraft ihrer Erklärungen in öffentlichen Urkunden – eine Beweiskraft, die auch durch den Staat zu respektieren und beachten ist. Damit schützt die notarielle Tätigkeit die Bürgerinnen und Bürger auch vor willkürlichen Eingriffen in ihre Rechtsposition durch den Staat. Notarielle Tätigkeit ist auch damit ein Mitgarant bürgerlicher Freiheit.
Sie ist es auch insofern, als persönliche Freiheit ja vor allem auch bedeutet, eigene, aufgeklärte und damit eben freie Entscheidungen treffen zu können. Das setzt wiederum voraus, dass uns die zugrundeliegenden Sachverhalte und Zusammenhänge bekannt und verständlich sind. Und dafür sorgen wieder Sie: durch neutrale Sachaufklärung und Belehrung während und gerade auch vor der Beurkundungsverhandlung. Notarinnen und Notare ermöglichen freie Entscheidungen.
Ich finde, das alles zusammen rechtfertigt hinreichend Ihren Status als hoheitlich handelnde Amtsträger, den Sie in den Ländern des lateinischen Notariats innehaben – und der ja verteidigt werden will und muss!
Nur als hoheitlich handelnde Amtsträger können Notarinnen und Notare ihre rechts-, und damit freiheitssichernde Funktion wahrnehmen. Das ist der Standpunkt, den wir stets vertreten werden, meine Damen und Herren!
Rechtmäßigkeitsprüfung, die Neutralität der Sachverhaltsaufklärung und Belehrung der Beteiligten, Beweiskraft und Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden – all dies ist nur in hoheitlicher Ausgestaltung denkbar. Ich will das noch näher begründen, damit Sie sehen, dass es nicht nur so dahingesagt ist – für Ihr heutiges Wohlbefinden in diesem Festakt. Mein Haus und ich wissen, was wir da ins Feld zu führen haben!
Erstens: die Rechtmäßigkeitsprüfung. Wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass das angestrebte Geschäft einen unerlaubten oder unredlichen Zweck verfolgt, haben Sie die Beurkundung abzulehnen. Notarinnen und Notare werden zwar auf Veranlassung der Parteien tätig. Sie werden aber nicht ausschließlich nach ihrem Willen tätig. Das ist ein entscheidender Unterschied. Notarinnen und Notare treten den Parteien als neutrales staatliches Rechtspflegeorgan gegenüber.
Zweitens: die neutrale Sachverhaltsaufklärung und Belehrung der Parteien. Wie ein Richter sind Sie zu Aufklärung und Bewertung des jeweiligen Sachverhalts verpflichtet – und stehen zugleich den Beteiligten als neutrale Berater zur Seite. Dass Sie dies in ihrer Funktion als Verfahrensleitung des Beurkundungsverfahrens tun, unterstreicht deutlich den hoheitlichen Charakter des Notariats.
Nur diese besonderen Pflichten der Notarinnen und Notare als Träger eines öffentlichen Amtes rechtfertigen es schließlich, dass – drittens – ihren Urkunden im lateinischen Notariat grundsätzlich ein besonderer Beweiswert zukommt und sie unmittelbar für vollstreckbar erklärt werden können. Hoheitliche Amtsausübung und die Qualität notarieller Urkunden als eines Vollstreckungstitels bedingen einander.
Und auch damit bin ich noch nicht am Ende der guten Gründe für Ihre ungeschmälerte Existenz als Hoheitsträger, meine Damen und Herren!
Denn Rechtmäßigkeitsprüfung und Sachverhaltsaufklärung sind auch für das Registerwesen von großer Bedeutung. Zur Gewährleistung der Richtigkeit der Register tragen Notarinnen und Notare maßgeblich bei. Und gerade auch hier zeigen sich die Vorteile des formalisierten lateinischen Notariats gegenüber Rechtssystemen, die auf eine solche Formalisierung im Handels- und Gesellschaftsrecht oder im Immobiliarsachenrecht verzichten. Wo dieser Verzicht herrscht, geschehen nämlich leicht Fehler und sind bei Transaktionen regelmäßig ein kostspieliger title search und eine title insurance erforderlich. Die höheren Kosten der notariellen Tätigkeit des lateinischen Notariats führen am Ende also zu ganz erheblichen ökonomischen Vorteilen. Auch das werden wir immer betonen, wenn es um die ökonomische Bewertung des Notariats geht.
Alles in Allem, meine verehrten Damen und Herren: Das Notariat ist in den meisten europäischen Rechtsordnungen völlig zu Recht Grundpfeiler der Rechtspflege. Der hoheitliche Charakter und die Ausgestaltung als öffentliches Amt sind für die rechtssichernde Funktion des Notariats unverzichtbar. Dieser besondere Wert des europäischen Notariats muss immer wieder erklärt und auch verteidigt werden. Das leistet der CNUE. Das müssen aber auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union leisten. Und das will die Bundesregierung, das will mein Haus leisten.
Das Notariat ist ein Mitgarant bürgerlicher Freiheit. Es muss gestärkt und bewahrt werden!
Ich wünsche der neuen Präsidentschaft und Herrn Dr. Stelmaszczyk eine glückliche Hand! Meine, unsere Unterstützung haben Sie jederzeit! Vielen Dank!
‒ Es gilt das gesprochene Wort! ‒
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