Schlussbemerkungen beim Treffen der G7-Justizminister
Schlussbemerkungen beim Treffen der G7-Justizminister
Schlussbemerkungen des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann MdB, beim Treffen der G7-Justizminister am 29. November 2022 in Berlin
Anfang29. November 2022 RednerDr. Marco Buschmann
Schlussbemerkungen des Bundesministers der Justiz, Dr. Marco Buschmann MdB, beim Treffen der G7-Justizminister am 29. November 2022 in Berlin
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir sind damit am Ende unseres Treffens angelangt.
Ich möchte Euch für Eure Teilnahme und Eure Beiträge danken. Unser Treffen zeigt, dass schwerste Verbrechen, wie sie in der Ukraine begangen wurden und werden, die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren.
Ich danke Euch allen für Eure Statements: Sie belegen, dass die internationale Gemeinschaft zusammenarbeitet und die Herausforderungen gemeinsam entschlossen angeht.
Es ist die „internationale Gemeinschaft“, die hier gemeinsam agiert: Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat sowohl den russischen Angriffskrieg als auch die völkerrechtswidrige Annexion ukrainischer Staatsgebiete durch Russland mit überwältigender Mehrheit aufs Schärfste verurteilt. Auch in der G20-Abschlusserklärung vor zwei Wochen ist das geschehen. Und auch die Grundlage für einen Entschädigungsmechanismus ist in der UN-Generalversammlung mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit gelegt worden. –
Ganz besonders danke ich Andriy Kostin, Karim Khan und dem Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof für die Anstrengungen ihrer Behörden bei der Aufklärung von Kernverbrechen des Völkerrechts, die in der Ukraine begangen worden sind. Ihre Berichte und Erkenntnisse führen drastisch vor Augen, wie wichtig eine effektive Strafverfolgung ist, damit derartige Taten nicht ungesühnt bleiben. Hier wird wichtige Arbeit geleistet, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. – Hunderte Kolleginnen und Kollegen in den nationalen Staatsanwaltschaften und vor allem in der Ukraine, bei der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs, darüber hinaus auch bei Polizeibehörden, bei internationalen Organisationen und nicht zuletzt in Nichtregierungsorganisationen arbeiten, damit das Recht nicht nur auf dem Papier steht, sondern angewandt wird und seine Wirkung entfaltet.
In vielen Staaten wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet, um die von russischer Seite begangenen Kernverbrechen des Völkerrechts aufzuklären.
Karim Khan hat als Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs alle Ressourcen mobilisiert, um schnell Beweise vor Ort zu sichern.
Andriy Kostin und die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine zählen vor Ort im Augenblick fast 50.000 Verfahren, die größtenteils Kriegsverbrechen betreffen.
Der Generalbundesanwalt unternimmt im Rahmen des Strukturermittlungsverfahrens umfassende Anstrengungen, gerade auch, um aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland geflüchtete Personen ausfindig zu machen, die als Zeugen helfen können.
Gemeinsam, Ukrainer und wir, wollen wir noch stärker die Menschen erreichen, die aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind und hier Schutz suchen. Wir wollen möglichst viele Hinweise und Aussagen zu begangenen Verbrechen erhalten. Jeder Hinweis kann für die Ermittlungen ein entscheidendes Mosaikstückchen sein, um Taten zu dokumentieren und Täter zu identifizieren.
Auch Nichtregierungsorganisationen leisten hier unersetzliche Arbeit. Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedenster Organisationen dokumentieren derzeit in der Ukraine von russischer Seite begangene Verbrechen und stehen mit betroffenen Menschen in Kontakt. Davon konnte ich mir Anfang November in Kiew selbst ein Bild machen. Ich habe dort Vertreterinnen und Vertreter des Center for Civil Liberties getroffen.
Wie wichtig die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen ist, hat in der Vergangenheit das Beispiel der NGO Yazda gezeigt. Erst durch ihre Unterstützung konnte die Hauptzeugin ausfindig gemacht werden im weltweit ersten Gerichtsverfahren, das den vom „Islamischen Staat“ an Jesidinnen und Jesiden verübten Völkermord festgestellt hat.
Klar ist: Wir stehen angesichts des Ausmaßes der Gräueltaten und Zerstörungen in der Ukraine vor einer Herkulesaufgabe. Die Hauptlast tragen unsere ukrainischen Freundinnen und Freunde, denen unser aller tiefster Respekt gilt.
Unser Treffen ist ein starkes Signal: Die Ukraine ist nicht allein und kann sich unserer Unterstützung sicher sein!
Unsere Aufgabe als Justizminister ist eindeutig: Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die unabhängige Justiz die Schuldigen in rechtsstaatlichen Verfahren zur Verantwortung ziehen kann.
Grenzüberschreitende Strafermittlungen sind komplex und zeitaufwendig. Wir haben uns daher heute auf die „Berliner Erklärung“ verständigt.
Mit dieser Erklärung stellen wir sicher, dass die Ermittlungsbehörden ihre Aufgaben erledigen können: durch intensivierte und beschleunigte Kooperation untereinander, aber auch durch eine verbesserte Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen.
Ermittlungen können nur effektiv geführt werden, wenn die Strafverfolgungsbehörden der verschiedenen Staaten schnell und gezielt in Kontakt miteinander treten können. Aber wie erfahren die Staatsanwältin oder der Staatsanwalt in einem Staat, wer ein geeigneter Gesprächspartner gerade für den von ihm oder ihr bearbeiteten Fall und für eine bestimmte Situation ist? Um hier zu unterstützen, werden wir in jedem Staat eine zentrale nationale Kontaktstelle für die Verfolgung von Völkerstraftaten bestimmen. Diese Stelle dient als das Eingangstor in ein anders Rechtssystem und vermittelt den Kontakt zur richtigen nationalen Stelle.
Ermittlungen gilt es frühzeitig zu koordinieren. Dazu wollen wir bestehende und bewährte Mechanismen verstärkt nutzen. Eine wichtige Plattform kann das Genocide Network sein. Das Netzwerk ermöglicht nationalen Anlaufstellen bereits jetzt den Austausch von Informationen über die Ermittlung zu Kernverbrechen des Völkerrechts. Auch das European Judicial Network dient dem Austausch bei der grenzüberschreitenden justiziellen Zusammenarbeit.
Besonders wichtig ist es, die Zusammenarbeit zwischen dem Internationalen Strafgerichtshof und nationalen Ermittlungsbehörden abzustimmen. Denn wir müssen Doppelarbeit vermeiden. Wir müssen natürlich auch vermeiden, dass etwa Opferzeugen mehrfach aussagen müssen. Und wir müssen ausschließen, dass Taten unerkannt und ungesühnt bleiben, weil sich einer auf den anderen verlässt und am Ende niemand Hinweisen nachgeht.
Auch die eben genannte unschätzbare Arbeit der Nichtregierungsorganisationen muss in Strafverfahren genutzt werden können. Deshalb wollen wir Strafverfolgungsbehörden und Nichtregierungsorganisationen noch besser vernetzen und den Austausch von Informationen weiter fördern. Mit Unterstützung der Roma-Lyon-Gruppe werden wir die Diskussion darüber fortsetzen, wie die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen noch weiter intensiviert werden kann.
Über all dem, liebe Freundinnen und Freunde, steht das Bewusstsein: Straflosigkeit für die geschehenen Verbrechen in der Ukraine wäre eine historische Niederlage für das Völkerrecht und eine neue Demütigung der Opfer.
Unser Versprechen heute ist: Wir werden alles tun, damit die Kriegsverbrecher vor Gericht kommen, um eine gerechte Strafe zu erhalten!
Vielen Dank!
‒ Es gilt das gesprochene Wort! ‒
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