Rede des Ministers zur Zweiten und Dritten Lesung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB), zur Änderung des Heilmittelwerbegesetzes und zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch am 24. Juni 2022 im Deutschen Bundestag
Anfang24. Juni 2022
Rede des Ministers zur Zweiten und Dritten Lesung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch (§ 219a StGB), zur Änderung des Heilmittelwerbegesetzes und zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch am 24. Juni 2022 im Deutschen Bundestag
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen! Liebe Zuschauer! Wir beraten heute abschließend über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Strafgesetzbuches, Aufhebung des Verbots der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch, zur Änderung des Heilmittelwerbegesetzes und zur Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch. Das klingt maximal technisch. Das klingt maximal abstrakt. In Wahrheit geht es hier aber um etwas sehr Bedeutendes, etwas sehr Konkretes und etwas sehr Dringliches, meine Damen und Herren.
Wir leben heute in der digitalen Moderne, und das bedeutet: Wenn sich eine junge Frau mit der schwierigen Frage eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs beschäftigt, dann wird sie sich in aller Regel Informationen im Internet beschaffen.
Das ist das niedrigschwelligste Angebot. Das ist niedrigschwelliger, als sich einem anderen Menschen, vielleicht einem völlig Fremden, zu offenbaren. Und im Internet kann jedermann, selbst jeder Troll und jeder Verschwörungstheoretiker, alles Mögliche über Schwangerschaftsabbrüche verbreiten. Aber dass wir hochqualifizierten Ärztinnen und Ärzten, die solche Eingriffe vornehmen, bei Kriminalstrafe verbieten, dort sachliche Informationen bereitzustellen, das ist absurd, das ist aus der Zeit gefallen, das ist ungerecht. Deshalb beenden wir diesen Zustand.
Viele haben mir durchaus vorwurfsvoll die Frage gestellt, warum ich entschieden habe, dieses Gesetzgebungsverfahren zu einem der ersten Gesetzgebungsverfahren dieser Bundesregierung und auch zum ersten Gesetzgebungsverfahren meines Hauses zu machen.
Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Es ist höchste Zeit, meine Damen und Herren.
Es ist höchste Zeit, weil jede weitere Verurteilung von Ärztinnen und Ärzten eine Verurteilung zu viel ist. Und die Mehrheit zur Änderung des Rechts war schon längst da. Die Arbeit hätte schon längst im letzten Deutschen Bundestag erledigt werden sollen.
Das ging damals nicht aus koalitionspolitischen Gründen. Aber jetzt, wo die Mehrheit der Fortschrittskoalition da ist, ist es unsere Aufgabe, sie auch zu nutzen, um das Recht auf die Höhe der Zeit zu bringen. Ich möchte zwei Sorgen nehmen, die in diesem Zusammenhang immer wieder artikuliert werden.
Es wird zum einen immer wieder die Sorge geäußert, dass dadurch der Schutz des ungeborenen Lebens und das Schutzkonzept des Bundesverfassungsgerichts berührt würden. Aber das Schutzkonzept des Bundesverfassungsgerichts schlägt sich in § 218 nieder.
Der wurde 1995 nach einem Gruppenantragsverfahren hier im Deutschen Bundestag neugefasst. § 219a dagegen geht auf quälende Debatten im Kaiserreich, in der Weimarer Republik zurück und wurde letztlich 1933 im Zuge der ersten nationalsozialistischen Strafrechtsreform eingeführt. Schon diese Unterschiede zeigen, dass man den Schutz des ungeborenen Lebens in § 218 und das Informationsverbot für Ärztinnen und Ärzte streng auseinanderhalten muss, meine Damen und Herren.
Es wird auch keine kommerzialisierende und banalisierende Werbung geben. Dem steht das Berufsrecht der Ärztinnen und Ärzte entgegen. Und wir haben den Schwangerschaftsabbruch auch in das Heilmittelwerbegesetz aufgenommen und damit Sorge dafür getragen, dass das nicht passieren kann.
Ich möchte mich an dieser Stelle bedanken, bei den Beamtinnen und Beamten meines Hauses, bei den Kolleginnen und Kollegen der Bundesregierung, die geholfen haben, dass wir schnell zu einem guten Gesetzentwurf der Bundesregierung kommen, und bei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern dieses Hauses für die guten Beratungen.
Ich werbe für diesen Entwurf. Es ist Zeit für mehr Vertrauen in Ärztinnen und Ärzte, und es ist Zeit für mehr Informationsfreiheit für Frauen.
‒ Es gilt das gesprochene Wort! ‒
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