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„Die Lage ist beherrschbarer“

Der Bundesjustizminister verteidigt den Wegfall fast aller Corona-Maßnahmen durch den Kompromiss der Ampel beim Infektionsschutzgesetz.

Datum 17. März 2022
Interviewter Dr. Marco Buschmann
Interviewer Hagen Strauß

Der Bundesjustizminister verteidigt den Wegfall fast aller Corona-Maßnahmen durch den Kompromiss der Ampel beim Infektionsschutzgesetz.

Herr Minister, ist der 20. März der Freedom Day in Deutschland?

Buschmann: Wir gehen einen großen Schritt in Richtung Normalität. Aber wir geben den Ländern auch die Instrumente, die sie brauchen, um im Notfall handlungsfähig zu sein.

Vor allem auf Betreiben ihrer Partei fallen viele Maßnahmen weg. Warum?

Im freiheitlichen Rechtsstaat gibt es eine einfache Regel: Was nicht verboten ist, ist erlaubt. Und Verbote muss man rechtfertigen. Die tiefgehenden Grundrechtseingriffe der letzten zwei Jahre dienten ja dem Ziel, die angespannte Situation in den Krankenhäusern vor einer weiteren Überlastung zu schützen. Inzwischen haben wir seit Wochen eine stabile Lage auf den Normal- und auf den Intensivstationen. Die Situation ist beherrschbarer. Damit fällt die Begründung für viele eingriffsintensive Corona-Maßnahmen weg.

Gesundheitsminister Lauterbach spricht aber von einer Rekordzahl der Infizierten. Agiert die FDP zu leichtsinnig?

Wir agieren gemeinsam als Koalition. Niemand behauptet, die Pandemie sei vorbei. Jeder Tote bleibt ein Toter zu viel. Ich will aber den Hinweis geben, dass mehr als jeder Zweite der Menschen, die sterben, ungeimpft ist. Deswegen werbe ich nach wie vor für die Impfung. Wir können aber nicht ein ganzes Land in Haft nehmen, weil es Menschen gibt, die sich bewusst für ein erhöhtes Risiko entscheiden.

Der Kompromiss ist manchem in der FDP zu streng, Grünen und SPD hingegen reicht der Basisschutz nicht. Das spricht nicht für das Gesetz, oder?

Uns Freien Demokraten war es wichtig, dass wir wieder zu mehr Normalität kommen. Und man kennt Karl Lauterbach und weiß, wie er denkt und wie viel Wert er auf Vorsorge legt. Wir haben beides erreicht: nur noch wenige Einschränkungen im Alltag und Handlungsfähigkeit in Hotspots hinter hohen Hürden. Das ist ein guter Kompromiss, der vor allem der Lage gerecht wird. Manche Kritik aus dem Süden der Republik wirkt da etwas pflichtschuldig, wenn gleichzeitig Maßnahmen aus unserem Gesetz schon vorgezogen werden.

Es gibt einige Bundesländer, die Übergangsfristen nutzen wollen, die strengere Regelungen fordern.

Ich bleibe dabei: Grundrechtseingriffe müssen sehr sauber begründet werden. Wir sind weit, weit entfernt von Zuständen, wie wir sie letzten Herbst und Winter hatten. Geht die Gefahr zurück, müssen auch die Gefahrenabwehrmaßnahmen zurückgefahren werden. Das tun wir.

Die Länder können schärfere Auflagen in regionalen Hotspots erlassen. Welche Inzidenz gilt dann?

Die Lage in den Krankenhäusern hat sich vom Infektionsgeschehen weitgehend entkoppelt. Wir richten deshalb den Fokus auf die Krankenhauskapazitäten. Bei einem Engpass in der Versorgung vor Ort oder bei einer neuen gefährlicheren Variante können die Hotspot-Maßnahmen ergriffen werden, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen.

Sehen Sie noch Möglichkeiten für Nachbesserungen?

Das Gesetzgebungsverfahren läuft nun im Parlament. Von dort wurde angeregt, dass etwa Arztpraxen in die potenzielle Maskenpflicht einbezogen werden. Das halte ich für richtig, denn es stärkt unser Anliegen, den Fokus der Maßnahmen auf den Schutz vulnerabler Gruppen zu legen. Die abschließende Lesung wird dann am Freitag sein.

Können Sie sich auch vorstellen, die Maskenpflicht wieder auf Innenräume auszuweiten?

Uns war es wichtig, das verpflichtende Maskentragen an den Schulen zu beenden. Dann wäre es nicht stimmig, die Pflicht in Supermärkten etwa beizubehalten, wo nur flüchtige Begegnungen stattfinden. Mir ist wichtig: Die Abschaffung der Maskenpflicht ist ja kein Maskenverbot. Jeder, der sich selbst mit der Maske schützen will, kann das tun. Egal wo. Wir übertragen Verantwortung zurück auf die Menschen. Darum geht es.

Kommt die Impfpflicht noch?

Die Entscheidung ist zurecht eine Gewissensentscheidung, weil es sich um eine medizinisch-ethische Frage handelt. Für mich persönlich ist sie nicht leichter geworden durch die Entwicklungen der letzten Wochen. Ich selbst hatte angeregt, dass diese Debatte als Gewissensentscheidung über die Fraktionen hinweg geführt werden sollte. Dem will ich nun nicht durch eine öffentliche Empfehlung vorgreifen.

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